Intermezzo in Frankreich - Pflichterfüllung und der nicht verliehene Orden
Zwischen April und Mitte Mai 1940 führt der Krieg Oskar dann via Luxemburg und Belgien zurück nach Frankreich. Das Stimmungsbarometer ist wieder gestiegen. Für in der Heimat aufkommende Zweifel am Sinn des Krieges hat Oskar – wie so viele seiner Altersgenossen – kein Verständnis: „…der versteht die Größe der Zeit nicht“. Der erneute Aufenthalt in Frankreich ist zunächst von froher Besatzerstimmung gekennzeichnet: „Wir leben wirklich wie Gott in Frankreich. Wenn wir Hunger haben, gehen wir irgendwo hinein und holen uns, was wir brauchen. Wein, Likör, Sekt usw. gibt es hier natürlich in Hülle und Fülle“. Größere Schreibpausen zwischen Mai und Juni 1940 deuten auf unruhige Zeiten für Oskar hin. Am 16. Mai, nach tagelangen Märschen von 40 km bis 60 km pro Tag („und dazu noch die Hitze, das kann sich ja niemand vorstellen“), hat seine Kompanie Luxemburg und Belgien durchquert, und es geht weiter nach Frankreich. Im Mai 1940, als einige seiner Kameraden schon das Eiserne Kreuz II. erhalten haben und andere bereits gefallen sind, spricht aus Oskars Worten zum ersten Mal eine fatalistische Sicht der Dinge: “es kommt ja alles, wie es kommen muss“. Im Juni 1940 liegt er bei der Südarmee und berichtet von „erbitterten Kämpfen“ auf dem Vormarsch gegen Paris. Wieder einmal kommt ein etwas bitterer Humor zum Vorschein, wenn er in Anspielung auf die ihm entgangene Verleihung des Eisernen Kreuzes bemerkt: „Für mich ist die Hauptsache, dass ich meine Pflicht tue und mein eigenes Kreuz behalte“. Im Juli meldet sich Oskar aus Bordeaux. Er schwärmt von Besuchen am Meer, dem Erlebnis von Ebbe und Flut. Seine positive Grundeinstellung zum Soldatendasein ist jedoch inzwischen deutlich getrübt: „Elend habe ich genug gesehen. Vom Krieg habe ich nun bald genug“. Im August und September 1940 verschärft sich die Lage. Er berichtet vom Tod eines 20jährigen Kameraden, der „von Zivilisten hinterrücks erschossen“ wurde. Oskar kennt keine Skrupel mehr. Er hofft, dass möglichst viele zivile Geiseln „an die Wand gestellt werden“. Wenig später, als die Landung in England allgemein im Gespräch ist, hat sich Oskars Stimmung erneut aufgehellt. Seine Einschätzung der Stimmung wird wieder weitgehend bestimmt von Zuversicht, dem Glauben an den Führer und die eigene Stärke. Immer wieder beschwört Oskar seine feste, aber irrige Erwartung oder Hoffnung, dass der Krieg rasch zu Ende gehe. Seine Briefe enthalten zahlreiche rührende Details der praktisch orientierten Fürsorge für seine Verlobte in Ludwigshafen:„..sende ich ein Paketchen an Dich ab, mit Salatöl.“ Er bemüht sich um eine reibungslose Logistik bei der Versorgung seiner Liebsten mit dem so wichtigen Salatöl: “Sofort wenn Du es erhältst, machst Du die Blechkanne leer und schickst sie wieder an mich zurück.“ Die Briefe verdeutlichen in zahlreichen Passagen, welch großes Gewicht – auch und gerade in der oft so bitteren Kriegszeit – den banalen Dingen des Alltags zukommt: „Meinen Tomatensalat esse ich immer mit Schale. Also wenn ich nach Hause komme, muss mir meine Mutter welchen ohne Schale machen. Der schmeckt mir dann bestimmt besser“. Auch in kritischen Situationen an der Front vermengen sich essentielle Gedanken und Gefühle wie Hoffnung, Verzweiflung und der Kampf um das eigene Leben, mit so banalen Dingen wie den teils vergeblichen Versuchen, Salatöl, ein Höschen oder eine Ledertasche für die Verlobte zu kaufen. Im Laufe des Oktober 1940 wird Oskar nach Rottal in Bayern verlegt, wo er offenbar bis zum Sommer 1941 eine relativ ruhige Zeit verlebt. Ein wenig trauert er der in Frankreich gezahlten „Besatzungszulage“ von 1 RM pro Tag nach.