Zur Geographie der Guajira
Bis in die jüngste Vergangenheit galt die Einschätzung des berühmten, aus der Region stammenden Komponisten Carlos Huerta: die Guajira, „ein unbekanntes Land“. Erst heute beginnt diese in der Randzone zwischen Kolumbien und Venezuela gelegene Region, langsam den Dunst des Vergessenseins abzustreifen, den Nebel der selbst gewählten Abgeschiedenheit zu lüften. Um die Guajira verstehen zu können, ist zunächst die geografische Lage, die Natur und das Klima zu betrachten: Das Department Guajira, mit der Hauptstadt Río Hacha, ist dem äußersten Nordosten Kolumbiens als Halbinsel zum Karibischen Meer hin vorgelagert. Auf dem Landweg 1.121 km nördlich der Metropole Santa Fé de Bogotá gelegen, umfasst die Guajira 20.000 km², nur 1,8% des nationalen Territoriums. Unterschieden werden drei Teilgebiete: die Niedrige (Baja), die Mittlere (Media) und die Hohe (Alta) Guajira, die sich klimatisch, hinsichtlich der Vegetation und der Bewirtschaftung durch die Wayúu deutlich unterscheiden. Die Baja Guajira erstreckt sich von einer Linie zwischen Riohacha und den Bergen von Oca an der Grenze zu Venezuela in Richtung Südwesten bis an die Grenzen der Dep. Cesar und Magdalena. Die höchsten Erhebungen dieser Zone finden sich in der Sierra Nevada de Santa Marta mit dem Pico Codazzi (4.500 m üNN) und in der Serranía de Perija mit dem Cerro Pintao (3.000 m üNN). In Richtung Nordosten schließt sich – von der gedachten Linie zwischen Riohacha und den Oca-Bergen – die Media Guajira an; diese – überwiegend von Ebenen bestimmte – Zone reicht bis zur Linie zwischen dem Cabo de la Vela und dem Höhenzug des Cerro de la Teta. Nur gelegentlich finden sich Erhebungen über 100 m üNN, zum Beispiel in der Serranía de Carraipía und der Cuchilla de Monte Bello. Daran anschließend erstreckt sich vom Cabo de la Vela nach Osten die Alta Guajira bis an die karibische Küste und die Grenze zu Venezuela. Auch dieser Teil des Departments zeigt ein überwiegend flaches Relief. Seine Erhebungen in den Serranías de Jarara, Simaura, Parash, Cocinas, Carpintero und Macuira erreichen kaum mehr als 700 m üNN.
Reisende – und deren Worten schließe ich mich vorbehaltlos an – beschrieben die Guajira mit den Worten: „Donde se mezclan el mar, el sol, la montaña, el desierto, la playa, la calidez de la gente guajira…“: „Wo das Meer, die Sonne, die Berge, die Wüste, der Strand und die Wärme der Guajiros miteinander verschmelzen…“. Ein Ort, für den diese Beschreibung in vollem Maße zutrifft, ist das berühmte „Cabo de la vela“, 120 km östlich von Río Hacha am „Camino de las almas“, dem „Weg der Seelen“ gelegen, einst ein stiller Strandort. Heute gehört das Gebiet zum Tayrona-Nationalpark. Zwischen 10°52’-12°17’ N und 71°16’-73°53’ W verteilen sich – neben wenigen größeren Orten wie Manaure, Barbacoas, Maicao und Puerto López – zahllose aldéas und rancherías (4), deren Namen in „wayuunaiki“, der vokalreichen Sprache des großen Stammes der Wayuu, für Fremdlinge mit indogermanischen oder romanischem Sprachhintergrund oft schwer aussprechbar sind.
Klimatische Bedingungen
Die geographische Breite bis 15° trägt dazu bei, dass in der Region hohe Temperaturen vorherrschen. Der Großteil der Guajira unterliegt einem ariden bis semi-ariden Klima. Während der meisten Monate des Jahres blasen aus Nordost die warmen und trockenen alisischen Winde. Sie verhindern einen Witterungsverlauf mit stärkeren Regenfällen. Besonders bei wolkenlosem Himmel ist die Luftfeuchtigkeit in der Guajira extrem gering, so dass ein Wüsten- bzw. Dornsteppencharakter das Landschaftsbild bestimmt. In der Media Guajira bleibt die jährliche Niederschlagsmenge unter 400 mm, in der Alta Guajira sogar unter 200 mm! So wurden z.B. in Uribia 2002 nur 61 mm Niederschlag gemessen; die gesamte Regenmenge entfiel auf den Oktober. Die Regenhäufigkeit in Riohacha zeigt im Jahresverlauf eine deutliche Dreiteilung: nach einer Trockenzeit (Januar – März), folgt eine Periode mit geringen Niederschlägen von