Russland, 3.11.41
Deine Briefe vom 2.9., 10.9. und 11.10 habe ich mit Dank und Freude erhalten…Das Bildchen von Dir ist ganz allerliebst. Da sieht man wieder mal so richtig, auf was man alles verzichten muss. Aber ich halte mich immer an die Hoffnung, dass es eines Tages doch auch mal Schluss werden muss. Wenn das verdammte Russland nicht so groß wäre, wäre auch schon längst Schluss. Denn wir haben ja jetzt schon einen unendlich großen Raum erobert und besetzt. - Morgen soll eine Ju 52 (große Transportmaschine) von hier zurückfliegen, und da will ich doch noch schnell einen Brief mitgeben. Unser Feldpostamt ist noch Hunderte von km zurück. Und da bleibt unsere Post of 8-10 Tage liegen, bis sie wegkommt. Mit dem Flieger hoffe ich, dass es rascher geht. Wir liegen seit 3 Tagen auf einem russischen Flugplatz, der ganz überraschend von uns genommen wurde. Hals über Kopf sind die Russen davon. Sogar das Mittagessen haben sie stehen lassen. Auch sonst sind ganz schöne Bestände hier und wir haben mal wieder ganz schön zu essen. Die Russen kommen zwar ab und zu mit 10-12 Flugzeugen und wollen uns Angst machen. Aber wir stören uns an denen gar nicht. Da wo wir sind, wird es in einigen Tagen auch Schluss sein und der Russe von der ganzen „Halbinsel“ entweder gefangen oder vernichtet sein. Es geht gar nicht mehr so „krimmig“ zu. Am Sonntag kam auch eine Sondermeldung im Radio, wenn Du die gehört hast, dann weißt Du ja, wo ich bin. Zur Zeit geht es uns wieder ganz gut. Aber die letzten 8 Tage waren nicht gerade angenehm. Denn bei dem Wetter immer im Freien sein, Tag und Nacht, das kann sich zu Hause niemand vorstellen. Ich habe so manche Nacht wach gelegen und zu den Sternen emporgeschaut und an zu Hause und selbstverständlich auch an Dich gedacht. Man war tatsächlich froh, wenn es Morgen wurde und man aufstehen und die steifen Glieder strecken konnte. Und dann wieder rein in die Scheiße oder auch 60-70 km marschieren. Glaub’ mir, mein Mädel, ich verstehe gut, dass es für Euch zu Hause nicht gerade angenehm ist, mit den Fliegern und so. Aber Ihr wisst doch wenigstens, wo Ihr Euch abends hinlegen könnt. Wir Zigeuner dagegen fallen in jedem Loch oder Graben herum. Und kommen wir mal in ein Haus (Lehmhütte), dann fressen uns bald die Flöhe. In mancher Nacht habe ich schon 8-10 dieser lieben Tierchen gefangen. Läuse hat von uns jeder. Ob Offizier oder Mann. Damit haben wir uns abgefunden. Man kann auch tatsächlich nichts dagegen machen. Man sieht nach, so oft es geht, und fängt das Zeug weg, aber sobald man wieder nachsieht, hat man wieder welche. Es ist zum Lachen. Wenn wir marschieren und es heißt ½ Stunde Rast und es regnet nicht oder ist nicht so kalt, da zieht jeder das Hemd aus und alles sitzt dann da, wie die Affen, und fängt Läuse. Da kann man sagen „Ne, was es nicht alles gibt“? Aber auch das geht mal vorüber. Und mit den Russen werden wir fertig. Warum sollen wir also vor ein paar Läusen Angst haben. Die Tierchen sind direkt froh, dass sie bei uns so schön warm sitzen, unter unserem Pullover. Liebes Mandl ! In Deinem Brief vom 11.10. schreibst Du, wie schön es sein könnte, wenn wir beide verheiratet und in unserem eigenen Heim wären. Glaub’ mir, ich denke daran fast jeden Tag. Und ob ich auch ein gutes Bett habe usw. fragst Du. Mein liebes Kind. Ich weiß bald nicht mehr, wie ein Bett aussieht. Wenn wir Stroh haben und Zelte bauen dürfen, sind wir schon zufrieden. Aber man lebt und das ist die Hauptsache.Und umso schöner wird es dann mal bei Dir. Und das ist meine Hoffnung…. Nun muss ich Schluss machen. Denn es ist gleich nachts 1 Uhr. Und von 1-3 Uhr habe ich mit meinen Leuten Streife….