09.06.05: Gegen 4 h, bei Sonnenaufgang, begrüßt eine erste Krähe mit einem eigenartig weich klingenden uäk-uäk-uäk-uäk (erstaunlich, mit welcher Stimmenvielfalt Krähenvögel sich in verschiedenen Situationen äußern können!) den beginnenden Tag. Um 5.30, wie am Tag zuvor der Ruf des Kuckucks, ertönt unvermittelt direkt vor meinem Fenster zum ersten Mal der voll tönende Flötenruf eines Pirols. Später treffe ich den „Pfingstvogel“ noch an verschiedene Stellen im Nordteil der Insel an, ebenso bei Vitte. Ich vermute daher, dass die Pirole erst dieser Tage zu ihren nördlichen Brutgebieten zurückgekehrt sind, während sie z.B. in der Pfalz schon in der letzten Aprilwoche oder zu Maibeginn eintreffen. Auch die Krähe meldet sich wieder. Da ich ohnehin keinen Schlaf mehr finde, breche ich kurz nach 6 h zu einem Morgengang auf, der mich wieder ins „Bergland“ führt. Wie alle diese Tage singt aus einer Buschgruppe am Hang unweit der Pension, die ihren Namen „Inselidyll“ zweifellos verdient hat, ein Sprosser, der sich durch besonders akzentreich vorgetragene Gesangsstrophen von seinen Artgenossen der benachbarten Reviere abhebt. Er bringt einen Strophenteil, den ich sonst nie gehört habe. Auf der Höhe, wo im Abstand von kaum 100 m zwei Holzbänke zur Rast einladen, reicht der Blick über den Dornbusch bis hin zu den Küstenstreifen, und am Horizont zeichnen sich schwach die Türme von Stralsund ab. Vor mir taucht ca. 80 m entfernt ein Fuchs auf. Als ich das Fernglas hebe, springt er in die Büsche; wenig später kommen drei Jungfüchse aus der Deckung. Eine Viertelstunde beobachte ich ihr lebhaftes Treiben: sie üben den „Mäusefangsprung“. Dabei springt der Fuchs fast senkrecht hoch, um dann von oben zum Steilsprung auf die Maus anzusetzen. Unbekümmert tummeln sie sich im offenen Gelände, bis schließlich eine Spaziergängerin am jenseitigen Teil des Weges auftaucht. Einer der Jungfüchse – vermutlich der „Benjamin“ – verharrt wenige Meter vor der Frau, unentschlossen was zu tun; dann dreht auch er ab und verschwindet im Buschwerk. Während zwei der Jungfüchse noch mehr spielerisch das Fangen üben, macht sich der dritte am Waldrand auf einen „echt“ wirkenden Pirschgang. Auf dem Rückweg treffe ich noch einmal auf einen Altfuchs, der im hohen Gras der Jagd nachgeht. Im Tal halten sich, wie beinahe jeden Tag, immer im gleichen Gebiet der Viehweiden, zwei Sturmmöwen auf, die stets an dieser Stelle (warum gerade hier?) im Gras der Nahrungssuche nachgehen. Da heute zum ersten Mal günstiges Wetter einzusetzen scheint hat, mache ich mich mit einem Mietfahrrad in Richtung Vitte auf, um die Kiefern- und Wachholderheide auf der Boddenseite zu durchstreifen, wo ich bei einem früheren Besuch einen Mufflontrupp beobachten konnte. An den trockenen Stellen wächst die Krähenbeere, und in den kleinen feuchten Senken findet man kleine Wollgrasinseln. Auf einer verlassenen kleinen Jagdhütte hält ein Kolkrabe Ausschau nach potentieller Beute, zum Beispiel Jungvögeln oder Eigelegen; ein zweiter hält sich in der Nähe auf; es sind nahezu die einzigen ihrer Art auf der Insel, die den Raben wohl ein unzureichendes Nahrungsangebot bietet. Letztlich bleibt mir der Eindruck recht dünner Vogelbestände zu dieser Jahreszeit auf Hiddensee.