Zurück nach Norderney -
in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts das „Rendez-vous der hannöverschen Aristokratie“, wie der Kurgast Heinrich Heine die Insel benannte. Es war der Ort seiner Wahl, und bald wurde er Liebling der Damen, die er durch seine Liebenswürdigkeit und seine Witze erheiterte. Die junge Fürstin Hohelohe und die Fürstin Solms beschäftigten sich ausschließlich mit ihm, und zum Dank dichtete er kleine Lieder und machte beißende Epigramme. Der „Dichter der Nordsee“(Reisebilder – die Nordsee, 1826) über die Insel: „…Die Eingeborenen sind meistens blutarm und leben vom Fischfang…“ und weiter: „…sehnen sie sich wieder zurück nach ihrer Sandinsel, nach ihren kleinen Hütten, nach dem flackernden Herde, wo die Ihrigen, wohlverwahrt in wollenen Jacken, herumkauern, und einen Tee trinken, der sich von gekochtem Seewasser nur durch den Namen unterscheidet, und eine Sprache schwatzen, woran kaum begreiflich scheint, wie es ihnen selber möglich ist, sie zu verstehen.“. Ankunft auf Norderney, 13.08.1825: „Das Schiff ankert im ungefähr 1m tiefen Wasser. Hochrädrige Pferdekutschen fahren an das Schiff heran und übernehmen die Passagiere samt ihrem Gepäck. 1825 hat Norderney 650 Einwohner in 135 Häusern, 343 Gästebetten, 53 Familienvorstände: Fischer, 21 Personen: Matrosen auf Fischerbooten, 29 Witwen…“ „…des Versuchs halber ging ich gestern auf die Jagd. Ich schoss nach einigen Möwen, die gar zu sicher umherflatterten, und doch nicht bestimmt wissen konnten, dass ich schlecht schieße. Ich wollte sie nicht treffen und sie nur warnen, sich ein andermal vor Leuten mit Flinten in Acht zu nehmen; aber mein Schuss ging fehl, und ich hatte das Unglück, eine junge Möwe totzuschießen. Es ist gut, dass es keine alte war, denn was wäre dann aus den kleinen Möwen geworden, die noch unbefiedert, im Sandneste der großen Düne liegen, und ohne die Mutter verhungern müssten. Mir ahndete schon vorher, dass mich auf der Jagd ein Missgeschick treffen würde; ein Hase war mir über den Weg gelaufen“. Onkel Salomon aus Berlin stellte Heinrich Heine als Studenten 400 Taler pro Jahr zur Verfügung, womit Heine jedoch nicht auskam, und um 100 Taler überzog. Ein Zeitungsredakteur verdiente 700-900 Rheinische Gulden. 1828 verdiente Heine als Mitarbeiter der „Allgemeinen Zeitung“ Cottas 225 Friedrichsd’or (≈ Louisd’or) = 2.200 Gulden (1 Friedrichsd’or = 10 Gulden). Nach eigenen Angaben hatte Heine für seine Badekur im Sommer 1825 für 4 Wochen einschließlich Reisekosten 50 Louisd’or zur Verfügung. Mehrfach geriet Heine auf Norderney in Geldschwierigkeiten. Im August 1825 pumpte er seinen Freund Sethe um 6 Louisd’or an. Heine an Christian Sethe: “…das Beste an Dir ist, dass ich Dich liebe und dass Du von jeher leicht anzupumpen warst. Schicke mir also die 6 Louisd’or…“. Ca. 10 Louisd’or hat er im Spielkasino verloren. Schon Feldmarschall von Blücherist 1803-1805 beim „Pharao-Spiel“, einem Kartenspiel, geschröpft worden. Über ihn Heine: „eine alte Spielratze, die beim Spiel betrügt“. Teilweise wohl, um seine Geldgeber (die Familie in Berlin, und u.a. ein Freund aus Hamburg) zu überzeugen, dass er nicht unnötig viel Geld verprasste, listete er seine Kosten und die geltenden Preise exakt auf; „Reise Stade – Norderney (Segelschiff)1825 inklusive Beköstigung 5 ½ Louisd’or, Domestiken und Kinder die Hälfte;auf Norderney Preise in Reichstalern und Silbergroschen = „Gute Groschen“. Ein einfaches Zimmer: 2 Rtl./ Woche; Mittagessen mit mehreren Gängen: ½ Rtl.= 12 Silbergroschen;1 Bad in der Nordsee von der Badekutsche aus: 1/6 Reichstaler, 1 warmes Bad: ½ Reichstaler; 1 Reichstaler = 24 Gute Groschen“ = 288 Pfennige; 1 Grote = 4 Pfennige. J. Levin Braunhardt über Heine:“Sein hübsch geformter Kopf war mit blonden Haaren bedeckt. Von seiner orientalischen Abstammung war in seinem Äußeren nichts zu erkennen“. Ähnlich äußerte sich auch C.W. Wesermann: “…seine Gesichtszüge waren regelmäßig, und zeugten fast gar nicht von seiner israelitischen Abkunft; er hatte einen etwas bleichen Teint, keinen Bart, und war ganz nach der Mode gekleidet, nur 1,60 m groß!“ Bordellbesuche waren übrigens auch in der Familie Heine in Hamburg selbstverständlich. Heine aus London an Moses Moser (Juni 1827):„ Viel Anziehendes hier: Parlament, Westminsterabbey, englische Tragödie, schöne Weiber. Wenn ich lebendig aus England herauskomme,so sind die Weiber nicht Schuld daran, sie tun das Ihrige…“ An Karl Immermann (1796-1840) schrieb Heine aus Helgoland: „Hier sind die Weiber meine Plage..“ Tatsache ist, dass Heine viel Geld bei Prostituierten ausgegeben hat. In seiner Kleidung, seinem Auftreten und seiner Körperhaltung ahmt Heine Lord Byron (= George Noel Gordon, 1788-1824) nach, dem er sich im „Freiheitsdrang“, dem „Gefühl verzweiflungsvoller Einsamkeit“, der „Zerrissenheit des dichterischen Genies“ und der „schmerzlichen Resignation“ verbunden fühlt. Nach einem Sturm, der den Kapitän vor Helgoland zur Umkehr zwang, berichtet Heine: “…die See war eine bewegliche Berggegend, die Wasserberge zerschellten gegeneinander, die Wellen schlugen über dem Schiff zusammen und schleuderten es herauf und herab; Musik der Kotzenden in der Kajüte, Schreyen der Matrosen, dumpfes Heulen der Winde, Brausen, Summen, Pfeifen, Mordsspektakel, der Regen gießt herab, als wenn die himmlischen Heerscharen ihre Nachttöpfe ausgössen.“