1.4 Hüte – oder Hirtenhund
Dass Hirtenhunde Teil einer uralten Kultur sind, wird aus der großen Anzahl von mehr als Regional – vor allem in Eurasien – entstandenen Rassen ersichtlich. Die lange Zuchttradition hat regional eindeutig typisierte Hirtenhund-Rassen hervorgebracht, die sich in ihrer Ausprägung in starkem Maße einerseits den topografischen Verhältnissen, andererseits den Bedürfnissen der Weidewirtschaft angepasst haben. So hat sich z.B. im relativ flachen Weideland der Türkei ein anderer, leichterer und hochbeinigerer Hirtenhund-Typ entwickelt, als in der Bergregion des Kaukasus. Größe und Statur der in einer bestimmten Region bevorzugten Hütehunde geben Hinweise darauf, welche Beutegreifer abzuwehren sind – oder waren. So überwiegen im südlichen Balkan (Serbien, Kosowo, Mazedonien), wo Bär und Wolf weiter verbreitet vorkommen, in der Weidewirtschaft größere Hundetypen als im Norden. Es ist ein kompakt gebauter, kräftiger und standfester Rassetyp. Zu den bekanntesten europäischen Rassen zählen der ‚Mastin Español’, der Pyrenäen-Berghund (Patou), der Maremmo-Abruzzese, der slowenische Cuvac sowie die Balkan-Rassen Sarplaninac, Kraski Ovcar, Tornjak, Carpatin, Hellenikos Poimenikos und der Bulgarer Hirtenhund. In Kleinasien beheimatet sind Karabash (Kangal), Kars-Hund und Akbash, der als „Urvater“ der weißen Hirtenhunde gilt. In Zentral-Asien ist der Owtscharka mit zwei Hauptrassen – dem Kaukasischen Owtscharka und der südrussischen Variante - vertreten, während vom afrikanischen Kontinent nur eine Hirtenhund-Rasse bekannt ist: der Aiidi.
Neben den traditionsreichen Hirtenhund-Rassen werden – z.B. in der Wanderschafzucht – auch Hunde aus lokalen Mischzuchten mit Erfolg eingesetzt. Dabei ist zu beachten, dass zwischen einzelnen Individuen aus der gleichen Gruppe – selbst bei Geschwistern aus ein und demselben Wurf – extreme Unterschiede in der Eignung als Hütehund vorhanden sein können. Außer der individuellen „Begabung“ als rasch lernender, umsichtiger und zuverlässiger Hütehund ist jedoch die Kunst des „Lehrmeisters“, einen Hund auf alle Erforndernisse der sachgerechten Lenkung einer Schaf- oder Rinderherde einzustellen, ohne dabei zu großen Stress auf die Tiere auszuüben oder gar Verluste bei Jungtieren zu provozieren, von besonderer Bedeutung.