Russland, 17.10.41
Schon seit 16 Tagen haben wir vergebens auf Post gewartet…Dass ich mich nach den langen Tagen des Wartens über die Post gefreut habe, kannst Du Dir wohl vorstellen. Weniger habe ich mich darüber gefreut, was Du mir in Deinem Briefe schreibst. Aber zuerst mal zu Deiner Karte. Das mit Kiew ist ja schon lange erledigt. Und wir sind schon wieder viele hundert Kilometer davon entfernt. An einem Ort, von dem Du gestern sicher durch Sondermeldung gehört hast. Wo ich bin, darf ich Dir halt nicht schreiben. Aber es ist ja auch egal, es ist überall die gleiche Scheiße. Und jetzt glaub’ ich bald, dass wir in den nächsten Wochen nicht an ein Nachhausekommen denken brauchen. Was das für einen bedeutet, kann sich niemand vorstellen. Denn ich hatte mich so auf Deutschland gefreut und hatte auch richtiggehend Heimweh. Dass ich selbstverständlich auch immer Sehnsucht nach Dir hatte, ist ja klar. -… Dass Du mit Deinem Fotografieren so viel Erfolg hast, freut mich. Nun zu Deinem Brief vom 29. Das ist ja allerhand was Du mir da schreibst. So richtig die dankbare Heimatfront. Da sollte ich jetzt zu Hause sein, um Dir zu helfen. Aber wenn Du auch alleine bist, lass’ Dir das nur nicht gefallen. Du bist am längsten in der Druckerei und das wäre eine unbillige Härte wenn Du zuerst herausmüsstest. Gehe nur zum Betriebsobmann und wenn das nicht hilft, zur Arbeitsfront. Oder teile mir genau mit, wie die Sache liegt, dann werde ich von hier aus versuchen, etwas für Dich zu tun. Wenn Du willst, schreibe ich an meinen Ortsgruppenleiter von der Partei und der muss versuchen über die A.E etwas für Dich zu tun. Oder schreibe ich einmal an den K. Kannst Dich darauf verlassen, dass ich kein Blatt vor den Mund nehme. Wir können hier den Kopf hinhalten und mit dem Liebsten was man in der Heimat hat, treibt man so eine Gemeinheit. Also schreibe mir sofort, ob Du noch in der Druckerei bist oder nicht. Und ob ich etwas für Dich unternehmen soll. Wenn ich wieder gesund nach Hause komme, kann mich Alles am Arsch lecken. Dann machen wir zwei es uns schön und kümmern uns um nichts als um uns. Und versuchen, die verlorenen Jahre nachzuholen. Ich hab’ mal wieder die sogenannte Heimatfront kennen gelernt. Liebes Mädel ! Das einfachste wäre halt, wenn ich jetzt nach Hause könnte, und wir könnten sofort heiraten. Dann könnte Dir die ganze Firma den Buckel langrutschen. So heißt es aber immer noch aushalten. Einmal hört auch der Krieg auf und dann auch für Dich das Arbeitengehen und das Ärgern im Geschäft. Musst Dich halt mit mir trösten. Mit uns treibt man es hier ja genau so. Sieh’ ich war von meinem Zugführer vorgeschlagen zum E.K. Und dann wurde Der Zugführer verwundet und der neue Zugführer kümmerte sich nicht um uns wegen einer Auszeichnung. Dass ich meine Pflicht getan habe, geht schon daraus hervor, dass mein Schütze 1 das E.K. I. erhalten hat. Und ich als sein Gruppenführer, der niemals hinter ihm war, laufe herum mit nichts. Das war schon in Frankreich so. Als ich damals in Gefangenschaft geriet, wir hatten alles auszuhalten, und dann wurden andere ausgezeichnet. Aber das eine will ich Dir heute versprechen. Ich tue auch in Zukunft meine Pflicht. Aber so darauflosrennen, wie bisher werde ich nicht mehr. Das sollen unsere Helden. Dann brauche ich mich wenigstens nicht zu ärgern. Nun, das muss ich Dir alles erzählen, wenn ich nach Hause komme. Und den festen Willen dazu habe ich mal. …Ich wäre ja gerne bei Dir, denn es gefällt mir gar nicht mehr. Die Ideale hat man mir genommen und so ist es auch nichts….