Russland, 12.9.41
Ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll. Denn Dein letzter Brief war vom 13.August. Ich nehme halt an, dass es an der Feldpost hängt. Denn andere Kameraden bekommen aus Richtung Ludwigshafen auch keine Post. Annehmen will ich nicht, dass Du mich vergessen hast. Oder doch? Das wäre nicht schön von Dir. Aber schreib’ mir recht bald. Denn wir sind ja so furchtbar einsam und verlassen. Schon 12 Tage liegen wir zur Sicherung an einem Fluss. Unsere Wohnung ist ein Erdloch. Und schon tagelang Regen und nur Regen. Unsere Stimmung kannst Du Dir vielleicht vorstellen. Drüben liegt der Russe und hüben wir. Zuerst kamen die Hunde nachts mit Booten herüber. Denn sie wussten, dass wir in einer großen Breite nur mit
4 Kompanien lagen. Aber wir haben sie mit unseren Maschinengewehren zusammengemäht und nun haben sie genug. Uns ist es gerade recht, wenn sie kommen. Wir bereiten Ihnen schon einen warmen Empfang, und es können nicht viel genug von denen verrecken. Das sind wir schon unseren gefallenen Kameraden schuldig. Nun haben sie drüben am anderen Ufer einen Lautsprecher aufgestellt. Da spielen sie Musik. Und dann spricht als einer:“ Deutsche Soldaten, kommt rüber, kommt zu uns, bei uns gibt es Wein und Frauen und freie Heimkehr nach dem Kriege“. Das Sauvolk kann damit noch nicht mal einen Hund locken, geschweige denn einen deutschen Soldaten. – Gestern Abend sind wir nun für 3 Tage zurück zur Ruhe gekommen, in Häuser, wo es warm ist. Das ist mal wieder angenehm. Aber bis man seine Klamotten trocken und sauber hat, geht es wieder vor. Da muss ich nun waschen und Strümpfe stopfen. Da könntest Du mir ganz schön helfen. Möchtest Du das?
Würdest Dich vielleicht wundern, wenn Du uns mal zusehen könntest. Es hieß, wir sollten aus Russland herauskommen. Nach Frankreich an den Kanal. Das wäre aber die gleiche Scheiße wie hier. Nun, mal sehen, was mit uns wird. Geredet wird hier gar viel. Von dem Unteroffizier, der ein Mädel hat, das ein Kind bekommt, hab’ ich Dir doch geschrieben. Auch, dass er an seiner Verwundung gestorben ist. Nun habe ich folgendes erfahren. Der hatte das E.K.2 erhalten. Und da ist er zum Kompanieführer gegangen und hat gesagt, wenn irgend etwas gefährliches zu machen sei, solle er ihn nehmen. Denn er möchte sich das E.K.1 auch noch verdienen. Bisher habe ich den Kameraden sehr bedauert, schon wegen dem Mädel. Nun ist er mir aber gleichgültig. Wenn der nicht mehr Verantwortungsgefühl hat, dem Mädel gegenüber, ist das traurig. Überhaupt die Auszeichnungen. Ich war auch zum EK II. vorgeschlagen. Aber von unserem Kompanieführer wurde ich dann gestrichen. Wie das kam, muss ich Dir erzählen, denn schreiben darf ich das nicht. Für mich ist die Hauptsache, meine Pflicht getan zu haben und noch mein Kreuz zu haben. Dass ich dabei war, geht ja daraus hervor, dass meinSchütze 1 das EK I hat. Und nun haben wir auch einen anderen Chef bekommen…Wir hoffen nun, dass doch mal bald Schluss wird, oder wir doch mal längere Zeit zur Ruhe kommen. Schön wäre halt, wenn ich zu Dir zurückkommen könnte. Heiraten uns so. Ein schönes Nest, das wäre doch wunderbar. Vorerst kann man es halt nur wünschen…