Sonntag, 08.06.08: 7.45 h: Blauer Himmel, wie bei meiner gesamten Reise seit dem 31.05.! Gestern Abend habe ich zum Essen auf der Gartenterrasse gesessen. Zur Zeit bin ich einziger Gast im Haus. Wie mir Frau Nommenden erzählt, hat die Anzahl der Löffler in der Brutkolonie auf Hallig Oland – eines der wenigen, aber wachsenden Vorkommen dieser Vogelart in Deutschland – zugenommen. Sie hat bei der Beringung der Jungvögel geholfen. Wie ich bald feststellen musste,ist die Löffler-Kolonie auf den von Gräben durchzogenen Salzwiesen so unzugänglich und weit entfernt vom Weg, dass selbst mit einem 10×40 Feldstecher nur ca. 16-20 kleine weiße Punkte am Horizont auszumachen sind; eine große Enttäuschung! Man kommt kaum auf 1 km (!) an die Vögel heran. NABU und Inselbewohner haben die Wegführung bewusst so angelegt, dass Besucher ferngehalten werden. Sie selbst nehmen für sich allerdings das Recht in Anspruch, jederzeit das Gelände zu betreten. Ein Grund für mich, wohl künftig nicht mehr auf Oland zu logieren. Unerwartet gab es heute einen ornithologischen „Leckerbissen“: An einer leicht erhöhten, kaum bewachsenen Stelle in den Salzwiesen der Hallig entdeckte ich den Balzplatz eines Kampfläufers in seinem Prachtkleid: Brust und Vorderbauch seines Imponier-Gefieders hell-braun, der Halsbehang tief schwarz, an der „Ohren“ beiderseits ein orange farbener Schopf. In dieser prächtigen Ausstattung versucht der Kampfläufer, sich durch auffällige Wendungen im Wettbewerb mit etwaigen Konkurrenten in Szene zu setzen, um eines der unauffällig braun gefiederten Weibchen in seinen Bann zu ziehen. Bis gegen Mittag kommt jedoch kein weiter Hahn hinzu, und zu meinem Bedauern stellt sich im gesamten Umfeld der „Balztenne“ auch kein einziges Weibchen ein. Auch in den kommenden Tagen bestätigte sich, dass es auf der Hallig nur diesen einzigen Kampfläufer gibt. Leider sind die Kampfläufer inzwischen aus fast allen deutschen Vogelschutzgebieten an den Nord- und Ostsee-Küsten verschwunden. Auch die übrigen Feucht- und Salzwiesen-Vögel wie Kiebitz, Rotschenkel, Uferschnepfe und Großer Brachvogel (in geringerem Maße der Säbelschnäbler) haben in ihren Beständen in den meisten Gebieten stark abgenommen; keine Art jedoch ist so stark betroffen wie der Kampfläufer, der in Deutschland praktisch ausgestorben ist.
Heute wird in der schönen alten Halligkirche ein Gottesdienst abgehalten: alle drei Wochen kommt der Pastor, der neben Langeness auch Gröde und Oland betreut, mit der Lore von Langeness. Von den 28 derzeitigen Bewohnern von Hallig Oland sind 14 anwesend. Mir fällt auf, dass – abweichend vom Ritual in den protestantischen Kirchen anderer Gegenden – die Gemeinde während aller Gebete und der gesamten Liturgie sitzen bleibt. Einzig zum Ausgangssegen erhebt man sich. Der Ablauf des Gottesdienstes ist wie folgt: Zunächst ertönt das Glockengeläut: die jetzige Glocke wurde 1896 aus einer früheren Glocke umgegossen, wiegt ca. 340 kg und hängt im sogenannten Glockenstapel, einem Holzgestell mit Spitzdach und Wetterfahne. Es folgt das Orgelvorspiel, dann zitiert der Pfarrer einen Psalm, an dessen Ende die Gemeinde spricht: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar,und von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen“. Pastor: „Kyrie eleison, Christe eleison“; Gemeinde (gesungen):“Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich“; P.: „Kyrie eleison“; G.: „Herr, erbarme dich über uns“; P.: „Ehre sei Gott in der Höhe“; G.: singt das Lied: „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr und Dank für seine Gnade,…“(1. Strophe); P.: „der Herr sei mit euch“; G.: „und mit deinem Geist“; P.: Gebet (Altes Testament oder Briefe, Neues Testament); G.:„Amen“; P.:Lesung, G.: „Halleluja, halleluja, halleluja..“; Lied und Lesung des Evangeliums; P.: „Ehre sei dir, Herre“; G.(gesungen): Lob sei dir, o Christe; gemeinsam das Glaubensbekanntnis, Lied; darauf folgen der Kanzelgruß, die Predigt, der Kanzelsegen; G.: „Amen“, schließlich ein Lied. Die hier gesungenen Lieder bringen die enge Verbindung der „Uthländer“ mit den Naturmächten – Meeresstürmen und gewaltigen Fluten – zum Ausdruck; zum Beispiel Lied 504 (Gerhard Terstagen, vor 1727):
„Himmel, Erde, Luft und Meer
zeugen von des Schöpfers Ehr’……“,
seht das große Sonnenlicht,
wie es durch die Wolken bricht ;
….Luft, die alles füllet,
drin wir immer schweben,
aller Dinge Grund und Leben -
Meer ohne Grund und Enge,
Wunder aller Wunder…
…lass’ dein schönstes Lichte,
Herr, berühren mein Gesichte,
wie die zarten Blumen
willig sich entfalten
in der Sonne stillehalten“
oder Lied 165 (Joachim Neander, 1690)
„Seht das große Sonnenlicht…“
…seht, wie Gott der Erde Ball
hat gezieret überall,
Wälder, Felder, jedes Tier,
zeigen Gottes Finger hier…
…Seht, wie fliegt der Vögel Schar,
in den Lüften Paar bei Paar…
…seht der Wasserwellen Lauf,
wie sie steigen ab und auf,
von der Quelle bis zum Meer,
rauschen sie des Schiffers Ehr’“