Zurück nach Hallig Gröde:
Sonnabend, 07.06.08: Gestern der vielleicht schönste Tag auf Gröde: Sonnig, warm und nicht zu windig. Im Laufe des Tages ziehen am Himmel dicke Kumulus-Wolken auf. Letzte besinnliche Rast auf „meiner“ einsamen Bank am äußersten Zipfel im Norden der Hallig. Vor mir flüchtet im Gras eine Stockentenmutter mit ihren 8 wolligen Jungen. Gegen 13h wende ich dem O-Teil der Hallig zu, der „Heerd“ genannt wird. Heute ist es so warm, dass ich zum ersten Mal Lust verspüre, die Badestelle zu nutzen, wo eine Stahltreppe über die Uferbefestigung bis ins Wasser führt, sofern nicht gerade Niedrigwasser angesagt ist. Für Nordseeverhältnisse ist das Wasser nach der langen Schönwetterperiode (seit April hat es hier
nicht geregnet) erstaunlich gut temperiert: geschätzte 19° – 20°C. So schwimme ich eine kleine Runde in Ufernähe – herrlich erfrischend nach der Wanderung! An der Badestelle treffe ich ein Ehepaar etwa in meinem Alter – ein Engländer und seine deutsche Frau -, die sich recht vogelkundig zeigen. Dass sich in dem kleinen Schilfbestand am Fething ein Teichrohrsänger aufhält, war ihnen allerdings entgangen. Auch sie hatten die tief schwarz gefiederte Trauerente zwischen den Eiderenten bemerkt und beobachteten mit Interesse einige Steinwälzer „bei der Arbeit“, die ihnen den Namen eingetragen hat. Geschickt wenden sie mit dem spitzen Schnabel Muscheln und Kiesel, um an die daran sitzenden Kleinorganismen heranzukommen.
14.15h bin ich rechtzeitig am Bootssteg im SW der Hallig, um Familie Gessing/Kolk zu verabschieden. Alle vier, Sabine G., Helmut K., Sohn Jesper und Tochter Malin, fahren über das Wochenende nach Hamburg, um die Formalitäten zur Umschulung von Jesper auf das Gymnasium zu erledigen. Wie mir die alte Frau Mommsen, geb.Petersen, erzählte, nennt man Seeschwalben auf friesisch „Bigger“. Im Frühling, wenn die Seeschwalben aus ihrem Winterquartier im fernen Süden zurückkehren und auf die Hallig „einfliegen“, nennen sie das „Biggersturm“. Austernfischer heißen „Liewen“ (gesprochen „Lieben“). Frau Mommsen ist die einzige auf Hallig Gröde, die noch friesisch reden kann, die übrigen sprechen „platt“. Die beiden „Vorwerk“-Hühner (eine heute seltene lokale Rasse) der Fam. Gessing, sehen prächtig aus: vor allem der Hahn mit schwarzem Hals- und Nackengefieder. Zahlreiche Küken wachsen heran, mussten aber im Brutschrank erbrütet werden, da die Henne keinen Bruttrieb zeigte. Die Eier – mit tief orangefarbenem Dotter – schmecken vorzüglich. Der Familienhund „Ajka“, ein schwarzer Mischling, zeigte sich mir gegenüber von Anfang an freundlich; ich werde ihn fast vermissen! Heute der erste, zu fast 100% bewölkte Tag. Am frühen Nachmittag trifft der Halllig-Postbote mit seinem blauen Boot, dem „Störtebeker“ – ein Name, der eigentlich hier nicht hergehört, denn der Freibeuter Klaus Störtebeker hatte sein Versteck auf dem Darss, und war auf im Bereich der Ostsee heimisch – , am Steg ein, um Post zu bringen und abzuholen. Von Hallig Langeness aus besorgt er die Post für Gröde und Oland. Gegen Mittag löst sich die Bewölkung von heute Morgen auf; es wird wieder sonnig und recht warm, ca. 26°C. Erst gegen 15.30h legt die „Rungholt“ mit dem wortkargen Kptn.Uwe Petersen ab, um mich (und einige Tagesgäste auf Rundfahrt) zur Hallig Oland hinüberzubringen, wo ich mein Quartier für die kommenden Tage beziehe. Inzwischen (19h) – ich schreibe diese Zeilen nach meiner Ankunft auf Hallig Oland um 20.30h – hat mir die Wirtin ein leckeres Abendessen bereitet:als Vorspeise Toast-Ecken mit Gurkenscheiben und feiner Leberwurst; als Hauptgericht runde Kartöffelchen, Spargel, süßsauer eingelegte Gurken und leckerer Schweinebraten; als Nachspeise ein Apfel-Bananen-Dessert. Zur Abrundung des Menues habe ich mir eine Flasche Deidesheimer Portugieser Spätburgunder bestellt, die nun zu jeder Mahlzeit auf den Tisch kommt. Nach den Tagen der eher kargen Selbstverpflegung auf Gröde habe ich den fertig gedeckten Tisch genossen. Bei meinem ersten Rundgang zwischen Schiffsanleger und Baustelle im W von Oland sichte ich 3 w Eiderenten mit 4 Pulli. Da auf den Halligen alltzu viele Jungvögel von Kiebitzen, Säbelschnäblern, Rotschenkeln, Seeschwalben und Enten den räuberischen Großmöwen (Silber-, Herings- und Mantelmöwem) zum Opfer fallen, haben sich hier offenbar drei Enten zum Schutz der 4 Küken zusammengefunden. Zu meiner Überraschung sehe ich, dass nicht weit von den Eiderenten entfernt eine Reiherente mit 2 ganz kleinen, nur 1-2 Tage alten Jungvögeln schwimmt. Mindestens 100 m vom Ufer entfernt hält sie sich auf dem offenen Wasser auf. Stets nur etwa 6 m von der Entenmutter entfernt, ständig umkreist eine Silbermöwe im Tiefflug die Entenfamilie und lauert auf ihre Chance. Das Ende konnte ich nicht verfolgen, aber vermutlich haben auch die beiden letzten von vermutlich 8-10 Entenküken nicht überlebt. Wie mir Frau Nommensen erzählt, hat am Zaun bei der Badestelle im hohen Gras ein Star gebrütet. Meines Wissens sind Bodenbruten von Staren bisher nicht berichtet worden. Ich versuche – leider ohne Erfolg -, das Nest zu finden und zu dokumentieren. Ihre interessante Beobachtung eines am Boden brütenden Stars bleibt zu
überprüfen. Mir erscheint es jedoch wahrscheinlicher, dass ein flügger Jungvogel am Boden von den Altvögeln gefüttert wurde. Nach dem ersten Badeerlebnis gestern nehme ich heute an der Badestelle auf Oland – sogar mit Dusche – mein zweites Meeresbad. Das nur etwa 1,6 m tiefe Wasser ist angenehm temperiert mit ca. 22°C, für Nordseeverhältnisse ungewöhnlich „warm“!