06.06.05: Wieder nur kurze Momente, in denen der Sonne ein Durchbruch gelingt. Später bewölkt sich der Himmel immer stärker, dabei bleibt es trocken; die Luft hat sich weiter abgekühlt. Ein zweites Mal umwandere ich, dem Klifffuß folgend, das „Nordkap“ der Insel am „Toten Kerl“, und wieder wird es eine nasse Angelegenheit. Auf dem Rückweg kehre ich gegen 15 h in Grieben im Restaurant „Enddorn“ ein, das ebenfalls mit zahlreichen, zum Verkauf stehenden Bildern ausgestattet ist, freundliche Bedienung und eine angenehme Atmosphäre bietet. Eine Fischsuppe und danach eine Gemüsepfanne mit Lammfleisch erfüllen meine Erwartungen; dazu ein Glas heißen Sanddornsaft – so lässt sich auch dem kühlen Wetter an diesem Tag eine gute Seite abgewinnen. Auf dem Rückweg über das „Bergland“ bläst ein kräftiger, kalter Wind, der auch die Vögel zum Verstummen gebracht hat. Unterhalb der Pension „Inselidyll“ gibt es ein größeres Grundstück mit einer Schar frei laufender Hühner: echte „Bauernhühner“, die dick gepolstert unter ihren glänzenden Federn mit ruhigen Schritten daherkommen, im Gras picken und an besonderen Mulden im Boden kratzen. Doch der erste Eindruck einer friedlichen Hühnerschar ohne jeglichen Stress täuscht: in ihrer Mitte stolziert ein kräftig gebauter Hahn mit prächtigen, sichelförmig zur Seite herabhängenden Schmuckfedern am Rücken und goldfarbener Halsbefiederung. Ein stattlicher Hahn, aber ein Vergewaltiger. Jedes Mal, wenn ich vorüberkomme, muss ich feststellen, dass er sich nicht gar zu lange mit dem üblichen Kratzen im sandigen Boden aufhält; nach kurzem Mustern seiner rundlichen Hennen in Braun und elegantem Schwarz hat er seine „Auserwählte“ im Visier, stürzt im Laufschritt auf sie zu, springt auf, drückt sie platt zu Boden und vollzieht die Kopula. Indessen verharrt die Henne rundum ruhig und ohne jede Panik, so dass man ihm vielleicht Unrecht zufügt, wenn man ihn Vergewaltiger nennt. Denn vielleicht erwarten seine kräftigen Hennen diese Art der Aufmerksamkeit und fühlen sich vernachlässigt, wenn sie im Pulk der Hennen von ihm unbeachtet bleiben und ständig nur im Boden kratzen und Körner picken dürfen.
Mein neues Zimmer Nr.7 im Erdgeschoss ist deutlich geräumiger als Nr.9 unter dem Dach, wo die Schrägwände mir nur in der Raummitte das Stehen erlaubten, und ich immer wieder – beim Betreten der Dusche ebenso wie beim Ausstieg aus der engen Kabine – mit dem Kopf an der Decke Anstoß genommen hatte. Selbst das – von Hausfrauen verständlicherweise nicht gern gesehene, von mir zugegebenerweise bevorzugte „Stehpinkeln“, war technisch kaum möglich und hätte auf Grund der in geringer Höhe ansetzenden Schrägwand nur unter schmerzender Rückenkrümmung realisiert werden können. Meine Reklamation verschaffte mir heute Zimmer Nr.7, da die junge Dame, die das Zimmer belegt hatte, zu meinem Glück nur zu einem Kurzurlaub nach Kloster gekommen war. So kann ich mich nun zwar erhobenen Hauptes im Zimmer bewegen, aber quasi im Gegenzug erleide ich im neuen Zimmer eine deutliche, zweifache Einbuße: zum Ersten beim Fernsehen, da mir das Gerät nur einen Sender zu sehen gestattet: also Schmalkost, und nichts mit Wimbledon-Tennis; zum Zweiten beim Duschen, da der Duschkopf das Wasser nur aus – großzügig gerechnet – 5 Löchern entlässt. Auch heute mache ich mich wieder auf zu einem weiten Gang durch das inzwischen vertraute Gelände, ohne dass mir irgend etwas Bemerkenswertes begegnet wäre. Vom Fernsehprogramm in meinem einzigen Sender bleibt zu erwähnen eine mir treffend erscheinende Charakterisierung der CDU-Regierung unter Helmut Kohl, dem Schwergewicht aus der Vorderpfalz: Der Kommentator hob ab auf die „Intellektferne des politischen Konservatismus unter dem Strickjackenregime von Helmut Kohl“.