03.06.05: Der Morgen beginnt dunstig, doch nach und nach bricht sich die Sonne Bahn: endlich ein fast sommerlicher Tag! Noch einmal schlage ich den ‚Biologenweg’ ein, wo in erhöhter Lage die Vogelwarte etwas verlassen wirkt. Ein karger Aushang kündet von Forschungsprogrammen, deren Existenz zweifelhaft scheint. Es gibt keine Ankündigung von Veranstaltungen, Führungen oder Seminaren, und auf meine Nachfrage (erst nach längerem Warten öffnet sich gegen 10.30 h ein Fenster, und eine verschlafen wirkende junge Frau meldet sich) teilt mir der Leiter der Vogelwarte, Dr.Hellwig, mit, dass eine aktuelle schriftliche Übersicht oder Publikation zum Bestand der Vogelarten von Hiddensee nicht verfügbar ist. Statt dessen bietet er mir zum Preis vom 8 € einen „brandaktuellen“, von 1995 (!) datierten Jahresbericht an! Von Einheimischen erfahre ich, dass außer dem Leiter der Vogelwarte nur noch eine Mitarbeiterin und der Hausmeister hier ihren Dienst versehen. Auf die Frage nach seiner gegenwärtigen Forschung teilt mir Dr.Hellwig mit, er bearbeite insbesondere die Stammesgeschichte bestimmter Vogelgruppen. Da frage ich mich: kann man einem solchen Thema nicht ebenso – oder besser- in Berlin, Halle oder Dresden nachgehen, wo ergiebige Fachbibliotheken zur Verfügung stehen? Kann der Standort Hiddensee, dessen Vogelwarte einst einen internationalen Ruf hatte, nicht effektiver genutzt werden für Fragestellungen der Zugdynamik, und der Faunistik mit ökologischem Bezug? Bevor die Vogelwarte hier einst eingerichtet wurde, diente das große Haus als Pension für damals „handverlesene“ Sommergäste. An den berühmtesten dieser Gäste, Albert Einstein, der mehrfach in dem Haus Quartier bezogen hat, erinnert heute eine in die Hauswand eingelassene Gedenkplatte. Zu jener Zeit befand sich das Haus im Besitz von Frau von Südow, deren Enkel heute noch ein kleineres, benachbart stehendes Haus – einst der Pferdestall des Anwesens – bewohnt. Leider ohne mein Fernglas zur Hand zu haben, sehe ich am späten Nachmittag aus weiter Entfernung einen bussardgroßen Greifvogel mit auffallend breiten Schwingen, der wiederholt in relativ geringer Höhe über den Hügeln zwischen Enddorn und Bessin rüttelt. Einige Minuten verfolge ich seinen Flug. Am 05.06. sollte ich den gleichen Vogel noch einmal zu Gesicht bekommen; doch wiederum war die Entfernung groß, und ich bekam den Greif nur kurz zu Gesicht, so dass mir eine sichere Bestimmung nicht möglich war. Später erscheint für einen kurzen Moment über der Steilküste ein Kolkrabe, der erste in diesen Tagen. Ansonsten gibt es am Bessin keine neuen Arten. Grauammer und Feldlerche bestimmen den Charakter der Landschaft, doch auch Sprosser, Klapper- und Dorngrasmücke lassen sich hören. Auch ein Karmingimpel, den ich hier am Bessin kaum erwarte, meldet sich aus dem Buschwerk.