Wieder auf nach Norderney
Nach 7 Monaten soll mich mein Weg endlich wieder nach Ostfriesland, genauer gesagt zu meinem Freund Hermann führen, der nach mehr als 40 Dienstjahren auf der – inzwischen leider durch Kommerz und Massentourismus arg mitgenommenen – Insel Norderney schon fast zu einer Institution geworden ist. Neben der Wattforschung engagiert er sich – vor allem in Form von Gutachten – für umweltgerechten Küstenschutz. Lange Zeit wurden profitabel verfügbare Abfallstoffe der Industrie, aus denen umweltschädliche Schwermetalle ausgewaschen werden können, für Küstenschutzwerke verwendet. Unbeeindruckt von massiven Versuchen, seine kritischen Berichte zu entschärfen, entzog er sich jeglicher Einflussnahme aus politisch oder wirtschaftlich interessierten Umfeld. Vermutlich hätte Hermanns berufliche Laufbahn einen anderen, in höhere Ämter führenden Verlauf genommen, hätte er dem mit einer Position auf dem Festland verbundenen Übergang in den Beamtenstatus zugestimmt und sich mit kommerziell bestimmten Interessen arrangiert.
Sonntag, 28.03.04: Um 7 h aufgestanden, um die Option für eine Fahrt nach Norderney – ohne Zeitdruck – offenzuhalten. Blauer Himmel, die Sonne scheint; und ich schaffe es, gegen 9 h loszukommen. Wie gut, dass ich inzwischen in meinem RAV 4 auch über ein „Navi“ verfüge, das mir jeglichen Stress auf der Strecke erspart! Ankunft in Norddeich an der Tankstelle von Theo Jakobs kurz vor 15.30. Auf der kleinen Wiese hinter der Tankstelle beobachte ich aus geringer Distanz eine Gruppe von sieben bogenschnäbligen, hochbeinigen, braunstreifigen Vögeln von Möwengröße, die auf einer Grünfläche hinter der Tankstelle der Nahrungssuche nachgehen. Es sind Große Brachvögel, die hier aus dem hohen Norden eingefallen sind, und auf dem Durchzug eine Rast einlegen. Sie zeigen keinerlei Scheu. Da Theo gerade von einem Fest – verbunden mit Bosseln, dem friesischen Volkssport – zurückgekommen ist und dabei naturgemäß auch „einen (oder mehrere) zur Brust genommen“ hat, kann er mich nicht wie sonst an den Schiffsanleger fahren. So muss ich „volens nolens“ mit geschultertem Bundeswehrrucksack und schwerer Reisetasche den Weg (ca. 1 km) „per pedes“ zum Fährhafen trotten. Dennoch bleibt Zeit, mir erst einmal ein mit Matjes belegtes Brötchen schmecken zu lassen. Das bei meiner Abfahrt in der Pfalz noch sonnige Wetter ist in Ostfriesland einem Himmel in undefinierbarem Grau-in-Grau gewichen. Endlich legt die Fähre nach Norderney ab. In der Fahrrinne lediglich ein einzelnes Paar Eiderenten, einige Erpel sowie sechs Saatgänse. Auf dem Hauptdeck des Fährschiffes der Norderney-Linie, dessen Räume nun auch den Nichtrauchern vorbehalten sind, kann man Essen und Getränke bestellen. Die Bedienung liegt in den Händen eines wenigstens 1.85 m hoch gewachsenen, schlanken, blonden Friesenmädchens mit Pferdeschwanzfrisur und einem Teint wie „Milch und Blut“. Kurz nach der Abfahrt um 16.30 h erreiche per Handy Hermann am Telefon; er wird mich am Hafen in Norderney abholen – und so ist es.