09.05.92: Heute Morgen Hagel, dann Regen bei Windstärke 6 und 5° C! Inzwischen liegen im Amselnest am Schuppen 2 Eier (im Vergleich zur Eiablage in der Pfalz beträgt die zeitliche Verzögerung hier im Norden etwa 3 Wochen !). Wiesen- und Baumpieper sind inzwischen eingetroffen. Wieder zieht es mich in Richtung Prerow-Strom, zu den Wiesen, wo sich – wie große weiße Daunenkissen über die Wiesenflächen am Bodden verteilt – eine Schar von 55 Höckerschwänen zum Äsen versammelt hat. Wanderung nach Bliesenrade und Born, mit seiner 1934/35 erbauten, reetgedeckten Holzkirche. Die Darsshäuser schmücken sich nach ortsüblicher Sitte mit bunt bemalten Haustüren. Unterschiedliche Motive – häufig ist eine stilisierte Sonne dargestellt – und Farbkombinationen harmonieren optisch mit den kleinen Bauern-(Vor-)Gärten. Zum Mittagessen gönne ich mir Aal in Aspik (12.50 DM) und ein kühles Rostocker Pils. Im Laufe des Tages wechseln sich aufgezogene Gewitterwolken mit Sonnenschein ab, es bleibt mit 8° C kühl. Der Blick von der Hohen Düne in Prerow reicht weit über die Wiesen und den Strom.Ich genieße das seltene Vergnügen, am hellichten Tag einen Fuchs auf offener Flur ausgiebig bei der Mäusejagd zu beobachten: aus der ruhenden Position setzt er zu einem fast senkrechten, hohen Sprung an, um dann von oben auf die Beutemaus hinabzustoßen – ein kurzes Quieken kündet vom Erfolg der Aktion.
In Zingst warten frisch geräucherte Sprotten auf mich, ebenso eine Apfeltasche. Der Rückweg wird zur Strandwanderung am Nordstrand. In der Ostseezeitung finde ich ein Gedicht, in dem die Stimmung der Landschaft von Darss und Zingst treffend zum Ausdruck kommt:
Auch mich animiert diese spröde, von der Lage zwischen Ostsee und Bodden geprägte Landschaft zu einigen Versen:
Es hat – wieder – fast die ganze Nacht hindurch geregnet. Kalt und windig der Morgen, es regnet weiter! Herr M. hat – nach zwei Fehlschüssen in der letzten Woche („hab’ an mir gezweifelt“) – wieder einen Überläufer von gut 20 kg Gewicht mit einem Frontalschuss zur Strecke gebracht. Doch heute Abend ist nicht Wildschweinbraten auf dem Tisch, sondern es gibt Flunder, andernorts auch als Scholle oder Butt bekannt. Nach Zander, Hecht und Wildschwein wieder ein Festmahl! Ab 10 h überraschend sonniges Wetter. Ich wage mich an einige Landschaftsskizzen. Heute begegne ich auch der ersten, ein Kitz führenden Ricke, für den Darss recht früh. Nach der Amsel vom Schuppen, in deren Nest sich inzwischen 3 Eier befinden, hat auch eine Rauchschwalbe mit dem Nestbau begonnen: Einen ungewöhnlichen Nistplatz hat sie gewählt. Zunächst kann ich den Standort für das Nest nicht lokalisieren, da die Vögel mit dem Material für den Nestbau stets rasch in der Nähe des Anlegers abtauchen. Erst nach längerem Ansitz besteht kein Zweifel mehr: die Rauchschwalben bauen ihr Nest an der Innenwand des stillgelegten, mit Rost überzogenen Kutters hinter dem Damm. Überall im Wiesengelände begegne ich durchziehenden Trupps von 4-6 Steinschmätzern, und am Haus lässt nun auch ein Zaunkönig seinen mit dem Triller kulminierenden Gesang hören.