2.7 Der frei lebende Hund
Manch ein oberflächlicher Betrachter ist vielleicht versucht, den „freien Hund “ hinsichtlich seiner Lebensbedingungen ähnlich wie den „Straßenhund“ zu bewerten oder gar, ihn dem „Straßenhund“ gleichzustellen. Der erstere unterscheidet sich jedoch in seinem Status, seinen Lebensbedingungen und insbesondere in seinen Verhaltensweisen grundlegend von dem Hund, der als Teil des städtischen Straßenbildes in vielen Ländern notdürftig sein Leben von Abfällen fristet. Der im Sinne des Wortes frei lebende Hund, der heute in Europa nur in ganz wenigen naturnahen Regionen einen Lebensraum findet, ist hinsichtlich seiner Verhaltensstruktur eher einem Wildhund gleichzustellen. Trotz der mit dem Prozess der Domestizierung unvermeidlich verbundenen Schwächung seiner genetisch verankerten Wolfseigenschaften scheint sein Gehirn einen Teil des verschütteten „Wolfsgutes“ wieder freigelegt zu haben. Der „freie Hund“ lebt im Rudel mit klar erkennbaren Hierarchie-Strukturen: Ein erfahrenes, kampferprobter „Boss“, unmittelbar umgeben und abgeschirmt durch zwei „Bodygards“ – ebenfalls starke, erfahrene Hunde -, führt das Rudel an. Es folgt der „Tross“, mit Tieren der mittleren Hierarchie-Stufen; und schließlich wird das Rudel komplettiert durch einen oder wenige „Geduldete“. Bei Letzteren handelt es sich um kleinwüchsige oder körperlich behinderte Individuen, die ein unterwürfiges Verhalten (gesenkter Kopf und Rute) zeigen und sich unauffällig am Rande des Rudels aufhalten.